Von Kirchtürmen ...

Habt Ihr schonmal bei Kirchtürmen die Spitze ins Visier genommen, den obersten Punkt versucht im Blick festzuhalten?

Einige Kirchen haben sehr spitz zulaufende Türme, prominente Spitzen, die das Auge, den Blick nach oben ziehen. In dieser Architektur wird der spirituelle Wunsch nach Transzendenz zum Ausdruck gebracht. 
 

Ekagrata

Mich erinnern diese Spitzen an den Ausdruck „ekagrata“, der in Sanskrit die Form der geistigen Konzentration beschreibt, die ganz auf einen Punkt ausgerichtet ist. Ein geistiger Zustand, in dem nichts, keine Gedankenbewegung, neben dem Fokus auf das Eine Platz hat.

Wie kraftvoll muss so ein Geist sein, wie klar und scharf, fast wie ein Laser(-schwert), das den Vorhang der Illusionen zerschneidet und den Blick auf das Wahre öffnet. In den yogischen und buddhistischen Schriften wird der auf 'ein-Punkt' (ekagrata) konzentrierte Geist als Vorstufe zur Erleuchtung beschrieben. 

Das scheint uns, die in Alltagsgedanken und weltlichen Sorgen verstrickt sind, als ein fernes Ziel. Vielleicht sogar unerreichbar, und manch einer fragt sich auch, ob es überhaupt erstrebenswert ist.

Darüber möchte ich heute gar nicht philosophieren, sondern ich möchte Euch eine Geschichte erzählen. Bevor ich mich konzentriert dem Studium und der Praxis des Yoga (und Ayurveda) gewidmet habe, bin ich durch andere Welten spaziert. Ich wollte immer verstehen, ‚was die Welt im Inneren zusammenhält.‘

Himmel und Erde

Begonnen hat meine Suche mit dem Himmel, dem Firmament und ich habe einige Jahre damit verbracht, die westliche Astrologie zu erforschen, natürlich auch mit dem Wunsch, mich als verwirrte junger Mensch besser zu verstehen und Ereignisse einordnen zu können. In den Schriften kam ich mit der Vorstellung in Berührung, dass es etwas gibt, dass „Alles“ zusammenhält, eine Art „Energie“. Daß es sogenannte Zeitqualitäten gibt, die sich in besonderen Momenten ‚einfangen‘ lassen.

Das „Einfangen“ lernte ich besser kennen, als ich mich mit Feng Shui beschäftigte. Hier kamen die Qualitäten von Himmel und Erde zusammen, und dieses Zusammenspiel abbilden zu können und sogar zu nutzen, war eine faszinierende Lehrzeit. Über Feng Shui kam ich zu Geomantie und lernte Hans-Jörg Müller einer der größten und begnadetsten Geomanten in Deutschland kennen. Hier beginnt die eigentliche Geschichte. Es ist eine Geschichte davon, wie man die Energie, die Kraft der Erde spüren kann.

 

 

Orte der Kraft

Überall auf der Erde gibt es „Orte der Kraft“, Orte an denen wir tatsächliche Kraftvolles aus der Erde kommend wahrnehmen können. Nachdem ich einige Jahre Feng Shui studiert hatte, kam ich auf mein erstes Seminar mit Hans-Jörg in der Nähe von Kitzingen. Über 3-4 Tage führte er uns an verschiedene Orte und lehrte uns, hinzuspüren.
Kirchen spielen bei Kraftorten oft eine große Rolle, denn sie stehen meist auf alten Ritualstätten und im Mittelalter hatten die Steinmetze ein gutes Gespür dafür, die Energie des Ortes bei dem Bau der Kirchen und Anordnung innerhalb des Kirchenschiffs zu nutzen, um spezielle psychische Zustände zu fördern.
 

Ich habe so ein Seminar weder vorher noch nachher erlebt. Die Wucht, mit der ich die Energie mancher Orte auf einmal wahrnahm, war unerwartet. Nun war und bin ich ja immer ein wenig skeptisch und scheue mich davor, potentielle Imaginationen als absolute Wahrheit darzustellen. Und genau aus diesem Grund machte Hans-Jörg ein Experiment mit uns. Er führte uns auf einen Hügel, an dem mal eine Kapelle gestanden hatte und der auch in vorchristlicher Zeit genutzt worden war. Jetzt war da nur eine große Steinplatte, auf der wir (ca. 20 Personen) uns wahllos aufstellten. Die Aufgabe war die Augen zu schließen und in den Ort, den Moment hineinzuspüren. Nach einer Weile sollten wir unsere Haltung so verändern, dass wir zum Ausdruck bringen, was wir spüren. Alles war erlaubt, außer die Augen zu öffnen.

Was ist wohl passiert? Nach einer Weile haben alle die Arme langsam aufsteigen lassen und sich nach oben gereckt. Wir waren uns im Nachgang einig, dass wir von unten eine Art „Energie“ Strom in Richtung Himmel spürten, mit einer öffnenden, frohen Qualität. Die meisten waren berührt und ich war tief beeindruckt, dies a) zu spüren und b), dass das Gefühl sozusagen reproduzierbar war.

Das war meine Einweisung darin, dass es Energieströme gibt. Die eines so gewaltigen Körpers wie der Erde sind stark, aber auch kleinere Körper bestehen nicht nur aus Materie, sondern „strahlen“ etwas aus.

 

 

 

Prana

Im Yoga sprechen wir von Prana. Unsere Übungen zielen darauf ab, das Prana im Körper zu halten, es frei durch alle Kanäle fließen zu lassen, und später Prana zu konzentrieren. Die Arbeit mit Prana (wie v.a. im Hatha Yoga) und mit dem Geist geht Hand in Hand. Selbst wenn wir in der Introspektion Prana nicht direkt spüren können, spüren wir die Auswirkungen ganz direkt. Wenn wir die Energie im Körper halten und der Geist sich beruhigt, dann entsteht ein Gefühl der Leichtigkeit und der Klarheit: das Schwere, Müde verschwindet und das Ruhige und Klare dominiert in uns. Das ist ein gutes Gefühl und es lohnt sich dafür, regelmäßig auf die Matte zu gehen.

Was ich damit (und diesem endlos langen Post) sagen will, Transzendenz kann bei jeder Yoga- oder anderen Praxis passieren. Wir gehen bewusst aus dem Alltag und üben, unseren umherspringenden Geist zu beruhigen und die Aufmerksamkeit auf einen Punkt zu lenken.

Jede Millisekunde, die uns das gelingt, wirkt. Unser Nervensystem ist sehr sensibel und reagiert mit Wohlgefühl auf diese Momente.

Und es tut manchmal doch einfach gut, auf die Spitze des Kirchturms zu schauen, die Linie entlang nach oben, und sich vorzustellen, dass die Zusammenhänge einfach größer sind, als das, was wir gerade sehen.

Om Shanti